Am 24. 11.2020 fanden viele Kladower*innen in ihren Briefkästen einen Aufruf zu einer „friedlichen Versammlung“ am darauffolgenden ersten Adventssamstag im Ort. „Für alle, die sich kritische Fragen stellen“, hieß es auf dem Flyer. Darauf zu sehen: ein gelber Kreis mit einem Punkt in der Mitte. Wer rief da zur Demo im Dorf auf? „Spandauer Freiheitsboten“, Querdenker und besorgte Bürger, hieß es auf dem Flyer. Einige Kladower*innen forschten nach und stellten fest: Das Symbol wird von Neonazis und rechtsextremen Corona-Gegner*innen benutzt. Hinter der Veranstaltung stand ein Mann aus der rechten Szene, der in Kladow lebt. Die Polizei gab Auskunft, es wären 500 Demonstrant* innen angemeldet und man komme mit zwei Hundertschaften.
Handeln war angesagt, sagten sich Mitglieder der Kirchengemeinde und andere Bürger*innen aus dem Spandauer Süden. „Den Rechten überlassen wir nicht unseren Advent“, sagt einer der Beteiligten gegenüber „die Kirche“. Namentlich wollen die Befragten nicht genannt werden, denn es gab bereits Drohungen.
Innerhalb weniger Tage wurde das „Kladower Bündnis für Solidarität, Gesundheit und Demokratie“ ins Leben gerufen, die zur Gegendemo einlud. Mit dabei: Mitglieder der Kirchengemeinden in der Region, der CDU, SPD, von Grünen, Linksjugend und Vereinen. „Ich erwarte, dass alle dabei sind“, sagt eine der Gründerinnen aus der Kirchengemeinde. Eine Demo hatte in Kladow laut „Tagesspiegel Newsletter“ zuletzt 1989 gegeben, damals gegen Lastwagenverkehr.
Angemeldet haben die Gegendemonstration dann zwei Pfarrer*innen aus der Region. Zum Einladen blieb nur wenig Zeit, über alle Kanäle und Netzwerke des Bündnisses wurde die Werbetrommel gerührt – mit Erfolg! Am 28.11.2020 standen nach eigenen Angaben etwa 250 Gegendemonstrant* innen den etwa 20 Teilnehmer*innen der Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen gegenüber. Zeitgleich fand in der Kladower Dorfkirche ein Friedensgebet statt; am Zaun wurde ein Plakat angebracht: „Unser Kreuz hat keine Haken“, war darauf zu lesen.
„Die Querdenker-Demo wollte bewusst einen bürgerlichen Eindruck machen“, sagt der Beteiligte. „Als Sprecher trat allerdings unter anderem Andreas Wild auf, der aus der Fraktion der AfD im Abgeordnetenhaus ausgeschlossen wurde – weil sie seine rechten Provokationen nicht länger mittragen wollte.“
„Kritik an den Maßnahmen zu üben, ist legitim“, findet er, „aber nicht im Bündnis mit Rechtsextremen.“ Eine Teilnehmerin hat mit den Demonstranten gesprochen und gefragt, warum sie ein rechtsradikales Symbol verwenden. „Das wurde abgetan und man hat sich von Nazis distanziert. Dennoch sind die Verbindungen undurchsichtig“, sagt sie. Dass auch Pfarrpersonen bei der Gegendemo waren, war der Mitgründerin besonders wichtig. Da müsse Kirche ganz vorne dabei sein. „Ich habe Angst, dass sich rechtes Denken immer breiter macht in der gesellschaftlichen Mitte.“
Das Bündnis ist stolz darauf, dass Kladow hier gemeinsam klare Kante gegen rechts gezeigt hat und sich über Partei- und Konfessionsgrenzen hinweg zusammengefunden hat. „Die Zivilgesellschaft hat sich hier stark gezeigt. Ein total glücklicher Tag“, findet der Mitorganisator. „Das war ein schöner Erfolg“, pflichtet die Gründerin bei, die sich besonders über die große Beteiligung von Jugendlichen freut. „Wir haben unser Dorf verteidigt.“